Buchtipp | Bulli Love – Ruf Der Freiheit

1966 Volkswagen T1 Bus Bulli Love (1)

Der Schauinsland ragt hoch über Freiburg aus dem Schwarzwald. Drachenflieger stoßen sich gern von ihm ab. Wir klettern die Serpentine zu ihm von der Altstadt aus hoch. Und erfahren, warum es für Peter Vaas manchmal die Vogesen und selbst der Mont Blanc nicht mit dem kleinen rot-weißen Punkt auf der Erde aufnehmen können: seinem geliebten T1 in Tornadorot und Cremeweiß

Freiburg im Breisgau, Altstadt. Sanft klopfen die Reifen auf das alte Kopfsteinpflaster. Gegenüber dem Roten Bären, dem ältesten Gasthaus Deutschlands, geht das Cremeweiß-Tornadorot aus dem Jahr 1966 sanft in die Knie und bleibt vor uns stehen. Peter Vaas, ein Mann so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser, springt aus seinem T1. Es gibt nichts, was dieser Mann nicht kann – nichts, was er nicht macht oder zumindest nicht schon einmal ausprobiert hat. Ein facettenreiches Leben, in dem es aber auch immer eine Konstante gab: den Bulli. Auf der Fahrt über eine der schönsten Serpentinen des Schwarzwaldes, hoch zum Schauinsland, erzählt uns Peter, den man nur als Pit kennt, davon. Was ihn regelmäßig zu dem Hausberg zieht, verrät sein Bulli-Dachgepäck: das Fliegen. Fotograf Theo und ich steigen ein, die Federn der Polster lassen uns tief in die Sitze sinken, das Bulli-Passagiergefühl stellt sich ein.

Pits erste Berührung mit einem Volkswagen Typ 2 rührt aus seiner Kinderzeit her, erzählt er, als wir durch das Freiburger Schwabentor knattern. „Mein Großvater besaß einen T1 Transporter als Auslieferungsfahrzeug unserer Druckerei. Ich fand den klasse und saß sooft es ging auf dem Beifahrersitz.“ Irgendwann wollte Großvater Vaas dann, dass der Enkel das Steuer des Familienbetriebs übernimmt. Doch der damals noch junge Vaas, selbst gelernter Buch- und Offsetdrucker, konnte sich mit seinen 22 Jahren einfach noch nicht vorstellen, ein Dasein im Büro zu fristen und für 120 Mitarbeiter verantwortlich zu sein. Auch wenn ein T1 verlockend nah auf dem Firmenparkplatz stand.

1966 Volkswagen T1 Bus Bulli Love (7)

Bulli Love – Auf Umwegen zum T1

Es war sein ausgeprägter Drang nach Freiheit, dem Peter Vaas folgen wollte – musste. In welcher Form auch immer, das würde ihm sein Leben schon zeigen. Zum Beispiel in Form einer Kletterhalle, die er konzipierte und mit Freunden aus dem Boden stampfte. Der Kletterpark in Satteldorf wurde Deutschlands erster Indoor-Spielplatz für Erwachsene und zog Profis wie den Extrem-Bergsteiger Stefan Glowacz an, der später dort auch Touren anbot. Von den Bergen schwang sich Vaas dann rüber auf die Rücken diverser Motorräder und bestritt Enduro- und Trial-Wettbewerbe. „Das war schon extrem teilweise. Männer kämpften mit Messern zwischen den Zähnen“, erinnert er sich. „Ich wollte es nicht ganz so brutal, so entschied ich mich schließlich für die 4-Stunden-Rennen.“ Um sich das Renn-Hobby erlauben zu können, schraubte er zwischendurch an schweren Bikes. „Als ich eine eigene Familie hatte, wurde mir das aber irgendwann zu viel“, resümiert Vollgasmann Pit.

Wir passieren die Talstation der Schauinslandbahn. Pit zeigt uns die kleine Rasenfläche hinter dem örtlichen Kinderspielplatz, die Flieger wie ihn wieder sicher auf dem Boden empfängt. Unterstützt von kleinen jubelnden Fans hinter dem Gartenzaun. Wir sollen ihn später dort abholen. Dann, wenn er genug Kreise in der Luft gedreht hat. Doch jetzt geht es für uns erstmal weiter nach oben. Auf Asphalt und den Schauinsland fest im Visier. Trotz der relativ schwachen Motorisierung mit 54 PS nimmt der T1 tapfer Kurve um Kurve und klettert scheinbar unbeschwert auf Höhe. Unsere Trommelfelle schließen sich allmählich luftdicht ab, doch das Knattern des 1500ers rutscht so nur noch tiefer in unser Bewusstsein.

Wie durch Watte dringt Peter Vaas’ Stimme ans Ohr, der weitererzählt, wie er vom Motorrad in die Lüfte kam. Seine Antwort ist ganz einfach: „Durchs Wasser.“ Und er beschreibt diesen Moment, als er mit zwölf Jahren in einem Wildwasserkajak saß und der reißende Fluss, in dem er unterwegs war, einen Augenblick lang anzuhalten schien: Der junge Vaas entdeckte am Himmel einen Drachenflieger, der kunstvoll seine Bahnen beschrieb. „Er zog mit so einer Leichtigkeit und einer Stille über uns hinweg, einfach grandios! Das wollte ich auch, irgendwann!“, schwärmt der Bulli-Liebhaber. Und so folgert man schlussrichtig: zu Lande. Zu Wasser. Es fehlte die Luft! Ein Pilotenschein beim Deutschen Hängegleiterverband stand auf der Vaas’schen To-do-Liste und später natürlich noch ein Fluglehrerschein.

1966 Volkswagen T1 Bus Bulli Love (3)

In Österreich arbeitete Pit schon bald in einem Flugtaxi-Unternehmen, das Leute vom Berg ins Tal brachte. Nebenher gab er Flugstunden. Sogar einer 80-jährigen Nonne hat er mal das Fliegen beigebracht. „Sie wollte dem Herrgott sicher noch ein kleines Stück näher sein“, zwinkert Vaas in einer Haarnadelkurve der Schauinslandstraße, in der er einen Gang runterschalten muss. Runterschalten, das kennt er. Und dem Herrgott manchmal viel schneller viel näher zu sein, das vermeidet er. Trotz seiner Vorliebe fürs Fliegen. „Nach einem Verdacht auf einen Herzinfarkt vor ein paar Jahren lasse ich es jetzt ruhiger angehen“, erzählt er. „Ich versuche mir und meinen Angestellten den Freitag als freien Tag einzuräumen“, sagt Unternehmer Vaas, der mittlerweile eine kleine Gartenbaufirma führt. „Ich will doch dabei sein, wenn meine eigenen Kinder aufwachsen! Freitags gehe ich also meistens Fliegen. Der Bulli hilft mir dabei sehr. Er ist die schönste Form der Entschleunigung!“, schwärmt Flieger Pit.

Seine Frau Susanne hatte ihm den Anstoß gegeben, den Vaas’schen Fuhrpark vielleicht doch nochmal um einen Bulli zu erweitern. Pit selbst jedoch hatte nur ungute Erinnerungen an diesen Volkswagen Typ 2. Im Alter von 20 Jahren hätte Vaas selbst nämlich eine späte Fahrt fast mit dem Leben bezahlt. In einer Winternacht kam er mit einem T2 in einer scharfen Kurve von der Straße ab und raste in einen zugefrorenen See. Zum Glück hielt ihn die dicke Eisschicht davon ab, komplett unterzugehen, und der Bulli blieb samt Vaas nur bis zur Hälfte im See stecken. Durch die Kofferraumklappe entkam er der eiskalten Falle. Pit lief zum nächsten Bauern, den er aus dem Schlaf klingelte und um Hilfe bat. In seinem Kopf rutschte unterdessen der T2 tiefer und tiefer in den See. Erst ein anderer Landwirt hatte passendes technisches Gerät da, um den Bulli sicher zu bergen. So standen beide glücklicherweise bald wieder auf trockenem Boden, und der T2 lieferte sogar noch den nötigen Zündfunken.

Allerdings war der Gaszug eingefroren – und stand auf Volle Kraft. Ein Dreh am Zündschlüssel half auch nicht weiter: ebenfalls defekt. Das stellte sich aber erst an der ersten Ampel heraus, die Peter ansteuerte. Egal, Vaas wollte heim. Höchstwahrscheinlich war er schneller da, als jemals zuvor: Mit angezogener Handbremse bohrte sich der T2 in den Kies vor seinem Haus. Am nächsten Tag ging es an die Leitungen, die über Nacht vollends zugefroren waren. Pits Schwester und er versuchten per Fön zu retten, was zu retten war. Doch alle Mühe half nichts, zu desaströs der Schaden. Der T2 musste weg.

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Bulli Love – Komm, lass uns fliegen

Elf Jahre später lernte er seine Frau Susanne kennen. Ihre große Liebe war zugleich auch eine Art Widergeburt für Vaas‘ vergrabenes Bulliherz. Denn bald stellte sich heraus, dass seine Frau zu Freiburger Studentenzeiten einen Samba besaß, ihn aus finanziellen Gründen aber wieder abgeben musste, er ihr aber sehr fehlte. „Sei nicht traurig, irgendwann bekommst Du wieder einen!“, tröstete Pit seine Sanne in trauter Stunde und versprach ihr, den einen Bulli für sie zu finden.

Während Vaas so schwärmt, klettern wir auf der Schwarzwald-Serpentine höher und höher. Richtungspfeiler, die im Winter die Fahrbahnränder markieren, leuchten blass. Es wird kälter, wir treffen auf letzte Schneereste, die im Wald übriggeblieben sind. Pit erzählt weiter. Die kleine Spielzeugflugente an seinem Rückspiegel baumelt hin und her. Er erzählt, wie sie ihn schließlich fanden. Den einen. Nach der Hochzeit entfachte völlig unvermittelt eine fehlende Gasflasche fürs Camping Pits und Sannes zweite große Liebe: Neben dem Camping-Ausrüster lugte das freundliche Gesicht eines einsam geparkten T1 hervor. In verblichenem Cremeweiß-Tornadorot stand er da, Gras wuchs aus dem Innenraum. Leider nicht zum Rauchen, sondern zum Jäten. „Anscheinend hatte der Bulli schon so einiges hinter sich“, erfuhr Vaas von seinem letzten Besitzer. „Als ein ehemaliges Fahrzeug der Feuerwehr hätte ich ihn nicht sofort erkannt. Zwei Studenten hatten den Bulli der Löschpatrouille abgekauft und umgebaut. Sie setzten jedoch ein falsches Dach auf, sodass ich das wieder zum Original zurückbauen ließ. Nur den Innenraum konstruierte ich so um, wie er für mich und meine Familie eben am praktischsten ist: zu einem Wohnmobil.“ Natürlich mit den eigenen Händen.

Der Bulli wird plötzlich langsamer und kommt in einer Haltebucht zum Stehen. Hier will Pit fliegen, das T1-Klettern ist vorbei. Er stellt den Bulli ab, setzt seinen Rucksack auf und stapft über eine Leitplanke hinweg. Nach ein paar Metern tut sich eine freie Fläche zwischen Bäumen vor uns auf. Er breitet seinen Gleitschirm aus und klinkt sich nach kurzem Check der Thermik in die Schlaufen ein. Sein Variometer piept leise. Die erhoffte Inversion kommt: Ostwind. Für den Laien: Es kann losgehen. Pit nimmt Anlauf, sodass sein Schirm sich mit genügend Luft füllt, und kurze Zeit später stürzt er sich auch schon über einen Felsvorsprung. Für einen kurzen Moment denken wir, er ist abgestürzt, doch dann erscheint er auch genauso schnell wieder auf unserer Bildfläche. Er nutzt den Auftrieb und zieht Kreise um Kreise. Und während Pit dort oben so fliegt, fragen wir uns: Ist es das Fliegen, das für ihn den Höhepunkt einer Fahrt hoch auf den Schauinsland mit seinem Bulli ausmacht? Dann, wenn ferne Bergkulissen sich vor ihm abzeichnen wie etwa der Mont Blanc? Oder ist es vielleicht doch das Starten des T1 Motors, das Umfassen des alten Lenkrads und die anschließende Heimfahrt bergab? Dann, wenn es zurück zu seiner Familie geht: zu Sanne, Jannis, Anna und den Hunden Lilly und Paula.

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Das Variometer piept. Der tornadorote Fleck wartet

Ganz bei sich, frei hoch oben am Himmel haben wir Pit seine Kreise ziehen sehen. Überall hätte er hingekonnt. Doch er schwebte über diesem kleinen tornadorot-cremeweißen Punkt. Wie von einem unsichtbaren Band gehalten. Pit Vaas und sein Bulli. Für immer.

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„Ruf der Freiheit“ ist im Buch Bulli Love von Edwin Baaske bei Delius Klasing erschienen. Zahlreiche weitere spannende, abwechslungsreiche und nicht zuletzt emotionale Geschichte aus aller Welt finden sich in diesem Bilder- und Geschichtenbuch zum Lesen, Lachen und Träumen für jeden Bulli-Fan.

Edwin Baaske: Käfer Love, Delius Klasing, Bielefeld 2015

Bulli Love Delius Klasing Cover

1. Auflage 2015
ISBN-10: ‎ 3667103034
ISBN-13: ‎ 978-3667103031

Bulli Love ist im Buchhandel Ihres Vertrauens oder direkt bei Amazon verfügbar.


Text Bastian Fuhrmann Fotos Theodor Barth

Autor: Delius Klasing

Delius Klasing zählt zu den führenden Special Interest-Verlagen Europas. 1911 in Berlin gegründet, blickt man am heutigen Unternehmenssitz Bielefeld auf mehr als ein Jahrhundert Verlagsgeschichte zurück. Das Programm umfasst etwa 1300 lieferbare Buchtitel, jährlich kommen etwa 120 Neuerscheinungen hinzu.

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