Barn Finds – Staubige Schönheiten aus der Scheune

Barn Finds 1969 Lamborghini Miura P400 S (1)

Manche träumen vom Lottogewinn, manch andere von einem Schatz, den man zufällig findet. Bestenfalls mit einem gewissen Wert, zwei oder vier Rädern und unverhofft in einer verlassenen Scheune gefunden. Regelmäßig machen solche Scheunenfunde oder englisch Barn Finds Schlagzeilen.

Barn Finds | 1964 Porsche 901

Manche Barn Finds bleiben im Verborgenen. Andere sorgen für große Schlagzeilen, wie der Porsche 901, der 2014 in einer Brandenburger Scheune entdeckt wurde. Im TV-Format „Der Trödeltrupp“ stieß man auf den Porsche mit der Fahrgestellnummer 300 057. Gebaut am 22. Oktober 1964 war der Wagen offiziell noch ein 901 bevor später nach der rechtlichen Klärung die Bezeichnung 911 gewählt werden musste.

Als der Fernsehsender dem Porsche Museum die Fahrgestellnummer durchgab, war in Zuffenhausen schnell klar, dass man sich dieses Exemplar mal aus der Nähe ansehen sollte. „Nummer 57“ war zwar in einem desolaten Zustand. Weite Partien der Karosserie waren bereits dem Rost zum Opfer gefallen, die beiden vorderen Kotflügel sowie Türen und weite Teile der Innenausstattung fehlten. Dennoch hatte dieses Restaurationsobjekt seinen hohen Wert, als einer von nur 82 gebauten 901. Außerdem fehlte genau solch ein frühes Modell in der Sammlung von Porsche Classic, die den Wagen für 107.000 € erwarb.

Hoher Preis und viel Arbeit

Der hohe Preis wurde durch zwei Gutachten bestätigt, die nüchterne Bestandsaufnahme verhieß aber eine Menge Arbeit. Motor und Getriebe waren zwar typgleich, aber nicht mehr die ursprünglich verbauten Aggregate. Viele Baugruppen waren sehr stark korrodiert und nicht mehr zu retten. Die Kompetenz der Experten von Porsche Classic und der Zuliefer-Firmen war also gefragt, um den 901 wieder in einen originalgetreuen Zustand zu versetzen.

Zunächst wurde das Fahrzeug komplett auseinandergenommen. Für den übrig gebliebenen Torso ging es ins schonende chemische Vollbad. Danach zeigte sich das nackte Blech in etwas besserem Zustand als befürchtet, mehr als die Hälfte der Karosserie war erhaltenswert.

Mit chirurgischer Präzision und viel Arbeit

Was zu ersetzen war, wurde aus einem 911 aus dem Baujahr 1965 entnommen. Durch die historische Nähe des Teilespenders wurde sichergestellt, dass die Beschaffenheit des Stahls ähnlich war. Mit chirurgischer Präzision wurden einige Bereiche aus dem 911er filetiert und in den 901 transplantiert.

Etwa 12 Monate dauerten allein die Karosseriearbeiten, danach ging es an die weiteren Baugruppen und Details. Manches stellte sich als äußerst knifflig heraus, so wie der Aschenbecher. Das hintere Drittel des Einschubs war weggerostet und die verchromte Auflage mit einem rechteckigen Loch für die Zigarre fehlte. Dieses Detail war nur 1964 verfügbar, der Zigarrenhalter entfiel im Folgejahr. Der Modellbau in Weissach lieferte eine Holzform, Auszubildende aus der Porsche Lehrwerkstatt fertigen daraus den neuen Ascher.

Es gab allerdings Bereiche, in denen man auf die Originalität verzichtete. Beim Lackaufbau entschieden sich die Restauratoren für eine elektrolytische Kathoden-Tauch-Lackierung, den man auch bei heutigen Elfern verwendet. Es ist aktuell einfach der beste Rostschutz.

Der festgefahrene Motor wurde in etwa 120 Arbeitsstunden von den Experten von Porsche Classic teils mühsam auseinandergenommen und Stück für Stück wieder zusammengesetzt und schließlich zum Leben erweckt.

2017 fand die Hochzeit von Motor und Karosse statt, Nummer 57 lebte wieder. Und das Porsche Museum hatte endlich das fehlende Puzzlestück für die vollständige Sammlung aller wichtigen Serienfahrzeuge.

Barn Finds | 1969 Lamborghini Miura

Es sind oft die besonderen, die glamourösen und die seltenen Autos, die als Scheunenfund oder Barn Finds Aufmerksamkeit erzeugen. Wegen ihres Wertes, aber auch allein wegen des mitunter kuriosen Sachverhalts, dass solch eine Preziose nahezu vergessen irgendwo im Dornröschenschlaf versinkt – teilweise über Jahrzehnte.

In die Kategorie der eleganten Exoten zählt ganz sicher der Lamborghini Miura. Als Scheunenfund wurde ein 1969er Miura P400 S bei RM Sotheby’s 2019 in London für mehr als 1,2 Millionen Pfund versteigert.

Es handelte sich um die leistungsgesteigerte Version mit 272 kW/370 PS, die von 1968 bis 1971 nur 140-mal gebaut wurde. Entwickelt vom damalige Chefingenieur Gian Paolo Dallara und entworfen vom jungen Marcello Gandini für Bertone.

Ein extravagantes Exemplar für Enthusiasten

Das aufgefundene und veräußerte Exemplar wurde 1969 fertiggestellt, aber erst 1971 kaufte ihn der erste Besitzer. Walter Becker aus Nürnberg war der Inhaber einer Werbeagentur und der extravagante Miura in „Giallo flay“ mit einem Interieur in „Skay Bleu“ schien im sehr zuzusagen.

Der zweite Besitzer war eine Sportwagen-Enthusiast aus Freiburg, Hans-Peter Weber. Der rassige italienische Sportwagen war die Krone seiner Sammlung, entsprechend wurde der Wagen zu den besonderen Anlässen bewegt. Und sorgte stets für einen großen – und lauten – Auftritt. Bis zu seinem Tod 2015 fuhr ihn Hans-Peter Weber regelmäßig. Sein Bruder Karl übernahm den Wagen danach, stellte ihn aber in einer Scheune ab, ohne ihn weiter zu fahren oder zu restaurieren.

Daher kann man die Wartezeit in der Garage durchaus als Dornröschenschlaf bezeichnen. Eine gewisse Patina hat sich über den Wagen gelegt, gerade die Innenausstattung kündet davon, dass der Lamborghini kein Leben im Museum verbracht hat, sondern das Auto eines Enthusiasten gewesen ist. Der Motor und alles Wesentliche sind original und wie es sich für bei RM Sotheby’s verauktioniertes Auto gehört, wurde dem neuen Besitzer die gesamte Historie des Fahrzeugs übergeben, einschließlich des deutschen Pappdeckelbriefes.

Nun konnte der neue Eigner dem Miura neues Leben einhauchen und den Wagen auf den Straßen genießen wie die Vorbesitzer. Oder sich noch etwas an der originalen Patina erfreuen.

Barn Finds | 1959 Austin Seven

Es sind nicht zwangsläufig immer die großen, seltenen, teuren Modelle, die gefeierte Scheunenfunde sind. Manchmal sind es auch die kleinen, eigentlich wohlbekannten. Wobei vom Mini, gemeinsam mit dem Jaguar E-Type dem wohl britischsten aller britischen Autos, auch nicht allgemein bekannt ist, dass er auch in den Niederlanden gefertigt wurde.

Als Alexander Arnold Constantine Issigonis 1957 beauftragt wurde, ein kleines Auto für eine möglichst breite Schicht von Käuferinnen und Käufern zu bauen, konnte man den nachhaltigen Welterfolg nicht zwingend erahnen. Es war sicherlich von Vorteil, dass er ein kleines Auto und keine ausufernde Limousine entwickeln sollte, wie folgendes Zitat von Issigonis beweist: „Mein ganzes Berufsleben über habe ich es nicht gemocht, große Fahrzeuge zu entwickeln – ich habe immer die Bequemlichkeit geschätzt, die ein kleiner Wagen im alltäglichen Verkehr bietet“.

Ob als Countryman genannter Kombi, als Stufenheck-Variante Riley Elf oder als offenes Vergnügen Moke, die Grundkonstruktion des Mini setzte sich durch. Der Mythos Mini war also auf der Straße, der Rennstrecke und im Mutterland England sowie anderen Produktionsstandorten geboren.

Ein Engländer aus den Niederlanden

Von 1959 bis 1966 wurden bei J.J. Molenaar’s Car Companies im niederländischen Amersfoort mehr als 4.000 Exemplare Minis gefertigt. Die Teile kamen aus Großbritannien und anders als beispielsweise die Lizenzbauten von Innocenti in Italien trugen die niederländischen Mini auch das Label von Austin oder Morris.

Kurz bevor 2014 wieder die Produktion von Minis in den Niederlanden gestartet wurde – diesmal allerdings der neue Mini von BMW – kam ein Vorfahre in einer Garage in Groningen zum Vorschein. Der Scheunenfund mit der Produktionsnummer 983 wurde als einer der 30 im ersten Produktionsjahr 1959 in Amersfoort gefertigten Austin Seven identifiziert.

Eine gute Gelegenheit des Teams von VDL Nedcar in Born, den alten Mini zu restaurieren, bevor sie danach den neuen am gleichen Ort fertigen. Ein Team nahm sich der Aufgabe an, den Mini komplett zu zerlegen und Stück für Stück wieder zusammenzusetzen.

Teilweise mussten Teile von Hand nachgefertigt werden, wenn möglich wurde sonst auf originalgetreue Ersatzteile zurückgegriffen. Aktuell ist noch unklar, wie es mit der Produktion des neuen Mini in Born weitergeht, zum Start vor rund sieben Jahren war es aber eine schöne Hommage an den Urahn, im tadellos restaurierten 59er Austin Seven die Neuauflage einzuläuten.


Fotos BMW AG, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Peter Singhof / Courtesy of RM Sotheby‘s

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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