AC Cobra 427 – Technisches Meisterwerk auf 4 Rädern

AC Cobra 427

„Der letzte echte Roadster, der Männer von Knaben trennt“ – Carroll Shelby

Von Kennern vergöttern aber dennoch von vielen Sammlern verschmäht, oft nachgebaut, viel kopiert und als Kit bis heute erhältlich, sicherlich aber als Fahrzeugkonzept wahnwitzig und einzigartig – ja, wir sprechen von einem Shelby AC Cobra 427. An kaum einen Fahrzeug scheiden sich die automobilen Liebhaber Geister so sehr, wie an der Giftnatter der amerikanischen Rennfahrer Legende Carroll Shelby. Nachdem Carroll Shelby Ende der 50er Jahre seine professionelle Karriere als Rennfahrer beenden musste, widmete er sich dem Aufbau seines eigenen Motorsport Unternehmens „Shelby American“ mit dem er Tuningteile und Autos für Privatkunden mit Rennsport Ambitionen herstellte.


AC Cobra 427


Als AC Cars im Frühjahr 1961 mit Bristol den Motorlieferanten für seinen AC Ace verlor, war es Carroll Shelby, der Charles Hurlock von AC Cars in England davon überzeugte, das Chassis für einen speziellen Shelby Sportwagen mit amerikanischen V8 Motor weiter zu produzieren. So entstand im Frühjahr 1962 auf Basis eines leicht modifizierten AC Ace Chassis der erste AC Ace „Cobra“ mit 260 cui Ford Small Block Motor und der Fahrgestellnummer CSX (Carroll Shelby Export) 2000.

Bereits im September 1962 war der Cobra mit dem größeren 289er Motor verfügbar der ab CSX 2075 dann auch zum neuen Standard Aggregat des Wagens wurde. Während die frühen Cobras noch mit dem aus dem AC Ace übernommenen Lenkgetriebe auskommen mussten, ersetzte man diese ab CSX 2126 durch eine Zahnstangenlenkung, was das Ansprechverhalten bei Richtungswechseln deutlich verbesserte. Wenn auch nie vom Werk aus so benannt, so hat sich heute die Bezeichnung Mark II für die in dieser Form modifizierten Modelle etabliert.



AC Cobra 427 – Ausnahmeroadster

Um im Rennsport weiter konkurrenzfähig zu bleiben, testete Carroll Shelby im März 1964 eine Big Block Variante, die bereits im Prototypen Stadium die GTOs von Ferrari zersägten – der 427er Big Block Cobra war geboren und ersetzte den 289er Cobra im Frühjahr 1965. Die Geburtsstunde des AC Cobra 427. Um mit der gewaltigen Leistung des 7 Liter Aggregats fertig zu werden, waren diverse Änderungen an der Karosserie und Fahrwerk notwendig – so entstand ein neuer verstärkter Rohrrahmen dessen Fahrwerksaufhängung nun mit Schraubfedern geführt war. Knapp 20 Zentimeter wuchs die Karosserie in die Breite und auch die Kühleröffnung wurde abermals vergrößert.

In der Straßenversion wartet ein Shelby AC Cobra 427 (Mark III) von 1965 mit einem 6996 ccm Ford-Big-Block-V8-Motor und werksseitigen 425 an der Hinterachse anliegenden Pferdestärken sowie zwei Holley-Vierfachvergasern auf. Kaum wunderlich also, dass die 275mm breiten Reifen an der Hinterachse, auch noch im zweiten Gang bei Volllast und dem richtigen Drehmoment Grußworte in den Asphalt schrieben. Der Legende nach ist es dem Beifahrer eines Shelby AC Cobra 427 nicht möglich, bei Vollgas zwischen 0 und 100 km/h einen 100 USD Schein hinter dem Scheibenwischer zu ergattern – bei Messdaten um die 3,8 Sekunden kaum wunderlich. Was bei modernen „Launch Control“ Fahrzeugen auf Knopfdruck geschieht, ist für einen Cobra Piloten körperliche, vor allem aber mentale, Arbeit, denn so ein AC Cobra 427 ist auch hinter dem Lenkrad durchaus Angst einflößend.

Ein kurzer Impuls an dem Zündschlüssel startet den 7 Liter Hubraum Gigant und das Auto beginnt zu beben. Der extrem breite Getriebe- und Kardantunnel leitet die Beine in einen ausreichend großen, weit links gelegenen Pedalschacht in dem das Kupplungspedal, das mit der Scheibenbremsanlage verbundene Bremspedal, sowie das leichtgängige und extrem gierige Gaspedal sein zu Hause haben.


AC Cobra 427


Anders als bei einem Jaguar E-Type oder anderen Wagen aus den 60er Jahren kann bei einem Cobra von Platzmangel kaum die Rede sein, denn auch als groß gewachsener Mensch findet man problemlos hinter dem Lenkrad Platz und durchblickt die flach gestellte Roadster Windschutzscheibe.

Die leichtgängige Schaltung schaltet sauber und man merkt sofort – der Cobra möchte fahren. Ein leichter Tipp auf das Gaspedal sorgt bereits in den unteren Drehzahlbereichen für mehr als genügend Vortrieb, begleitet von einem Klangfeuerwerk, wie es eben nur ein großvolumiger amerikanischer Big Block Motor herbeizaubern kann. Der Cobra ist ein phantastischer Wagen, denn die nur 1190 kg beschleunigen jederzeit mühelos und ohne Verzögerung, gleichzeitig aber auch leichtgängig und direkt um Kurven. Ein herantasten an die richtige Kurvengeschwindigkeit fällt leicht, denn die direkt ansprechende Zahnstangenlenkung des Wagens ermöglicht ein präzises manövrieren des Wagens Richtung Scheitelpunkt der Kurve. Vorsicht gebührt dennoch all’ den Fahrern, die vor der Kurve zu abrupt Gas weg nehmen oder im Kurvenausgang bereits Vollgas geben, denn wie bei einer waschechten Schlange, hat auch beim 427er Cobra das Heck das sagen – wer zu unbedacht an die Schlange herantritt wird schnell erleben, wie gierig das Heck des Cobra nach vorne schnellt.

Einmal gebissen, lässt einen der Cobra nicht mehr los – man möchte höher, schneller, weiter – mehr Kurven, mehr schalten – vor allem aber mehr Gas geben! Ein Cobra macht einfach süchtig. Um so erstaunlicher ist es, dass weder die amerikanische 427er Big-Block Variante, die sich zwischen 1965 und 1967 insgesamt 348 mal verkaufte, noch die von 1966 bis 1969 für den europäischen Markt als AC 289 gefertigte Small Block Variante, für AC Cars zu einem kommerziellen Erfolg wurde. So kündigte man bei AC Cars die Partnerschaft mit Carroll Shelby und der legendäre Cobra verschwand vom Markt und mit dem Einsetzen der Erdölkrise auch aus den Köpfen der Menschen. Doch wie schon so oft in der Automobilgeschichte sind es oftmals die weniger erfolgreichen Fahrzeuge, die Jahre später zu „Klassikern“ werden. So auch Carroll Shelbys AC Cobra, die befreit von den Beschränkungen der Erdölkrise 1973, Anfang der 80er Jahre in nie dagewesenen Ausmaß „gesucht“ wurde.



Die anhaltend große Nachfrage führte auch die ersten Repliken Hersteller auf den Plan, nicht zuletzt auch die Firma AC Cars selbst, die 1981 einem ehemaligen Mitarbeiter, Brian Angliss, die Erlaubnis erteilte mit dem AC 289 Mark IV ein Nachfolgemodell des legendären Cobra zu produzieren. Nachdem AC nach zwei weiteren „Fehlschlägen“, dem AC 428 sowie dem AC 3000 ME, zunehmend in finanzielle Schieflage geriert, übernahm Angliss das angeschlagene Unternehmen inkl. der original Pressen und Werkzeuge und konnte den Wagen fortan komplett selbst produzieren.

Die Markenrechte an AC wechselten in den letzten 20 Jahren mehrere male den Besitzer, dennoch blieben bisher alle Versuche die Marke wiederzubeleben erfolglos. Carroll Shelby begann Ende der 80er Jahre damit, aus Restbeständen von 1966, weitere 427 Sport und Competition Modelle zu fertigen und legte 1995 sogar eine neue CSX 4000er Reihe auf. Im Jahr 2004 folgte eine weitere Neuauflage mit original Chassis und Karosserien von AC Cars in Malta und einer Endfertigung bei Carroll Shelby in Las Vegas.

Die Geschichte rund um den AC Cobra ist also bis heute sehr „lebendig“.
CSX 2000 wurde im August 2016 bei RM Auctions für 13,75 Mio. USD verkauft und auch die Preise für original 2000er CSX Nummern liegen inzwischen durchaus auf Mercedes-Benz Flügeltürer Niveau. Anders als Jaguar D-Type oder C-Type Recreations, ermöglichen die Cobra Recreations von DAX, FFR und Phoenix heute einen Einsteig für deutlich unter 100.000 EUR und sprechen somit auch eine deutlich breitere Masse an Käufern an. Es verwundert also kaum, dass der Cobra heute als das am meisten kopierte Fahrzeug der Welt gilt.



Fotos RM Sothebys

Autor: Christian Plagemann

Christian Plagemann ist Gründer & Geschäftsführer von Classic Trader und schreibt auch als Redakteur regelmässig für das Classic Trader Magazin. Traum-Klassiker: Lamborghini Miura Aktueller Klassiker: Mercedes-Benz 180 D Ponton

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