Wird der 1954er Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen den nächsten Rekord brechen?

1954 Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen (8)

Vor etwa drei Jahren wurde die Klassikerszene von einem Paukenschlag wachgerüttelt: Eines der zwei Mercedes-Benz 300 SLR „Uhlenhaut-Coupés“ wurden zum Rekordpreis von 135 Millionen Euro an einen privaten Sammler versteigert. Nun schicken sich Mercedes-Benz Heritage GmbH, Indianapolis Motor Speedway Museum und das Auktionshaus RM Sotheby’s an, einen Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen von 1954 zu versteigern. Wieder schaut die die Oldtimer- und Rennsportwelt gespannt nach Stuttgart, wo am 1. Februar die Auktion stattfinden wird. Und vielleicht ein neuer Rekord aufgestellt werden wird.

Die „Silberpfeile“ von Mercedes-Benz haben eine lange Tradition und errangen viele beachtliche Siege auf den Rennstrecken weltweit. Unter anderem die 50er-Jahre waren eine Epoche mit herausragenden Piloten in Boliden, die ihnen in nichts nachstanden. So wie der W 196 R, der entwickelt wurde, um dem ab 1954 geltenden Reglement für Fahrzeuge mit bis zu 2,5 Litern Hubraum zu entsprechen.

Ein technisches Meisterwerk

Der Rennwagen verfügt über einen Einspritzer-Reihenachtzylindermotor mit 2.494 ccm³ Hubraum. Es handelt sich im Grunde um zwei zusammengefügte Vierzylinder, die bis zu 213 KW/290 PS erzeugten. Bezüglich der Karosserie war das Reglement etwas freier. Entsprechend bereitete Mercedes-Benz zwei Aufbauten vor, eines mit freistehenden Rädern für kurvenreiche Strecken sowie ein weiteres mit aerodynamischer Linienführung und umschlossenen Rädern für den Einsatz auf Hochgeschwindigkeitskurven.

Der W 196 R debütierte beim Großen Preis von Frankreich in Reims mit drei Stromlinienfahrzeugen. Und wie, das Fahrerteam Juan Manuel Fangio, Karl Kling und Hans Herrmann kam auf die Plätze 1, 2 und 7. Am Ende der Saison stand der WM-Titel für Juan Manuel Fangio im ersten Jahr nach der Rückkehr von Mercedes in den Motorsport nach der Zwangspause nach dem Zweiten Weltkrieg.

Juan Manuel Fangio (Startnummer 2) am Steuer des Mercedes-Benz W 196 R im Rahmen des Großen Preis von Buenos Aires, Argentinien, am 30. Januar 1955.

Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen in Saison 1955

Für die Saison 1955 wurde der W 196 weiterentwickelt, vor allem am Motor wurden einige Veränderungen vorgenommen. Und auch im Team verstärkte man sich, Stirling Moss konnte als Fahrer gewonnen werden. Stichwort gewinnen, gleich am 30. Januar 1955 siegte Juan Manuel Fangio bei formelfreien Großen Heim-Grand Prix von Argentinien in Buenos Aires mit dem Silberpfeil mit der Fahrgestellnummer 00009/54.

Den ersten Einsatz mit der Stromlinienkarosserie hatte der Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen in Monza, wo 1955 die neue Hochgeschwindigkeitskurve eingeweiht wurde. Juan Manuel Fangio sicherte sich in einem ähnlichen Wagen die Pole-Position, während Stirling Moss mit 00009/54 vom zweiten Startplatz aus losfuhr. Fangio gewann, als Weltmeister 1955 stand er ohnehin vor dem Rennen schon fest. Moss kam aufgrund technischer Probleme nur auf Platz 7 ins Ziel, aber fuhr immerhin die schnellste Runde des Rennens mit einer Zeit von 2:46,900 Minuten und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 215,7 km/h.

Nach seiner aktiven Rennsport-Karriere ging Fahrgestellnummer 00009/54 im 1965 als Schenkung an das Indianapolis Motor Speedway Museum. Fast sechs Jahrzehnte lang wurde der Mercedes-Benz W 196 R vom IMS Museum sorgfältig gepflegt und gewartet. Gelegentlich wurde er bei bedeutenden Veranstaltungen gezeigt wie etwa beim Amelia Island Concours dʼElegance 1996, bei der Canadian International Auto Show 2003 und zur großen Wiedereröffnung des neu gestalteten Petersen Automotive Museums im Dezember 2015; zu Bewertungen bei Concours-Veranstaltungen wurde er allerdings nie eingereicht.

1954 Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen Stirling Moss Monza (18)
Stirling Moss (Startnummer 16) am Steuer des Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen beim Großen Preis von Italien in Monza am 11. September 1955.

Die Auktion des Indianapolis Motor Speedway Museums

Nun möchte das Indianapolis Motor Speedway Museum die Sammlungs- und Restaurierungsbemühungen neu sortieren und fokussieren, und zusätzlich das Museum auszubauen und modernisieren. Um das zu finanzieren, entschloss man sich dazu, elf der Rennwagen aus der Sammlung in drei Auktionen an unterschiedlichen Orten zu versteigern, ausgerichtet vom renommierten Auktionshaus RM Sotheby’s.

Bevor die Fahrzeuge von Ferrari 250 LM, über Bugatti T35 und Ford GT40 bis zum Benetton B191 von Michael Schumacher unter den Hammer kommen, startet die Auktions-Trilogie am 1. Februar 2025 im Mercedes-Benz Museum. Der Hersteller dieses besonderen Fahrzeugs stellt nicht nur die Räumlichkeiten zur Verfügung, die Mercedes-Benz Heritage GmbH und die Experten des Classic Centers in Fellbach begleiten die Auktion in enger Zusammenarbeit mit fachlicher Expertise, Dokumenten und einem Herstellergutachten zur Originalität und Authentizität des Fahrzeugs.

Interessierte – und solvente – Personen können sich auf der Seite von RM Sotheby’s registrieren und an der Auktion des Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagens teilnehmen. Wann hat man schon einmal die Möglichkeit, solch einen Rennwagen zu erwerben. Es ist erst der zweite W 196 R, der jemals für Privatpersonen angeboten wird, und das erste Exemplar mit der Stromlinienkarosserie. Es wird spannend sein zu beobachten, ob er den nächsten Rekord einfahren kann.


Mehr zum Mercedes-Benz W 196 R Stromlinienwagen und zur Auktion finden Sie hier.


Fotos Mercedes-Benz AG

Autor: Paolo Ollig

Paolo Ollig schreibt als Chefredakteur regelmäßig über alle Raritäten und Meilensteine der Automobil- und Motorrad-Geschichte. Traum-Klassiker: Lamborghini Countach und Mercedes-Benz 300 SL. Eigener Klassiker: Mercedes-Benz 230 CE (W123) von 1981.

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